Samstag, 27. September 2014

Willkommen in Willich!

Bald eine Erstunterkunft für Flüchtlinge? Das ehemalige Krankenhaus.
Im ehemaligen Willicher Krankenhaus sollen 200, nach den Erfahrungen in anderen Kommunen jedoch wahrscheinlich deutlich mehr, Flüchtlinge untergebracht werden. Bereits vor einigen Wochen wurde darüber erstmals in der Zeitung berichtet. Die darauf folgende Welle von bösartigen Kommentaren in den „sozialen“ Netzwerken war erschreckend.

Aber der Reihe nach: Auf der Suche nach neuen Unterkünften für Asylbewerber ist die Bezirksregierung Arnsberg, die aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung mit ihrer Außenstelle in Unna-Massen die Verteilung der Flüchtlinge für ganz NRW - also auch für unseren Regierungsbezirk Düsseldorf - übernimmt, in Willich fündig geworden. Neue Erstunterkünfte werden dringend benötigt, weil einige der bisherigen Einrichtungen aufgrund des Ausbruchs von Masern und Windpocken geschlossen werden mussten.


Gerne würde die Behörde das Gebäude nun von den Neusser Augustinus-Kliniken mieten, bei denen die schnelle Mark offenbar die Gemeinnützigkeit endgültig verdrängt hat. Zugelassen ist an dieser Stelle jedoch nur der Betrieb eines Krankenhauses. Eine Nutzungsänderung müsste der Willicher Stadtrat beschließen. Das hat er nicht getan. Trotzdem kann die Bezirksregierung mit den Augustinern ins Geschäft kommen. Mittels einer Beschlagnahme des Gebäudes durch den Innenminister nach Paragraf 14 des Ordnungsbehördengesetzes. Dieser Bescheid wird in den kommenden Tagen erwartet. Der Stadtverwaltung und der Kommunalpolitik sind dann die Hände gebunden.


Der bisherige Widerwille der Stadt gegen diese Form der Unterbringung hat mit zwei Dingen zu tun:


Zum einen liegt es an der Landesregierung. Die lässt die Städte und Gemeinden beim Aufbringen der Kosten bisher im Regen stehen. So bekommt die Stadt zurzeit nur etwa 21,5 Prozent der entstehenden Kosten für die jetzigen Asylbewerber erstattet. Hier ist das Land gefordert Farbe zu bekennen und die Kommunen mit dieser Aufgabe nicht alleine zu lassen.


Zudem verfolgt die Willicher Verwaltung bei der Unterbringung von Asylbewerbern ein dezentrales Konzept. Nicht alle Flüchtlinge an einem Ort zu konzentrieren hat bisher gut funktioniert - aus Sicht der Asylbewerber, der Anwohner und der Stadt. Eine zentrale Sammelstelle mitten im Ortskern, so befürchtet man, würde die mühsam aufgebaute Akzeptanz zerstören.


Dabei ist in Willich eigentlich etwas ganz anderes geplant: Es geht um keine klassische Unterbringung, sondern - wie bereits erwähnt - um eine Erstunterkunft. Das bedeutet, dass die Flüchtlinge in Willich registriert und von der Behörde zu den Gründen ihrer Flucht befragt werden. Nach drei Monaten in Willich geht es für die Asylsuchenden dann weiter: Sie werden nach einem bestimmten Schlüssel auf Städte und Gemeinden in ganz NRW verteilt. In der Regel ist die Erstunterkunft ein ziemlich abgeschirmtes, oft sogar  umzäuntes Gelände.


Zudem: Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, UNHCR, schätzt, dass bis zu 50% aller Asylsuchenden Kinder und Jugendliche sind, die entweder in Begleitung ihrer Eltern kommen oder alleine.


So zeigt sich, was die Stimmungsmache bei Facebook und Co. eigentlich ist: Plattes Gerede von Leuten die eigentlich keine Ahnung haben. Weder werden kriminelle Horden in unsere Innenstädte einfallen, noch der IS in Willich eine Niederlassung eröffnen. Diese Menschen kommen aus purer Not aus oftmals kriegsgeplagten Heimatländern (der größte Teil zurzeit aus Syrien), werden in Gruppenschlafsälen kaserniert und bewacht. Diese Leute kommen nicht um sich in die soziale Hängematte zu legen, sie haben ihre Heimat verlassen um ihr blankes Leben zu retten. Oft sind es Kinder und Jugendliche, die unseres besonderen Schutzes bedürfen.


Aber wirklich Sorgen mache ich mir eh keine: Egal was die Trolle im Internet von sich geben, ich habe unsere Stadt immer als freundlich, friedlich und weltoffen erlebt. Ich bin mir sicher, dass sie auch die Flüchtlinge so begrüßen wird. Ich glaube an Willich.


tl;dr: Trotz vielfacher Hetze in den Sozialen Netzwerken bin ich mir sicher: Die Flüchtlinge sind in Willich willkommen. 

Freitag, 12. September 2014

Willich: Erst falsch, jetzt noch falscher

Die Sperrung des Willicher Marktplatzes für den Autoverkehr wäre ein Fehler. Ein noch größerer Fehler wäre es jedoch, das Bürgervotum zu diesem Thema zu übergehen.

Dass bei der Abstimmung über den Willicher Markt die Befürworter eines autofreien Platzes siegen, hat so kaum jemand erwartet. Die eigentliche Überraschung war jedoch die hohe Beteiligung der Willicherinnen und Willicher an dieser Wahl:  9.368 haben sich beteiligt, 52,6 Prozent davon haben für eine Sperrung des Platzes gestimmt.


Trotz dieses klaren Ergebnisses hat der Stadtrat sich am Donnerstag nicht dazu durchringen können, dem Votum zu folgen. Die Entscheidung wurde vertagt. Die Zeit soll genutzt werden, um einen Kompromiss zwischen Befürwortern und Gegnern der Sperrung zu schmieden. Schließlich, so die Argumentation, würde es sich nur um eine knappe Mehrheit von 450 Stimmen handeln. Außerdem hätten sich mit 54,6 Prozent nur knapp mehr als die Hälfte der Alt-Willicher an der Wahl beteiligt. Zum Vergleich: An den Kommunalwahlen, die im Übrigen den Stadtrat legitimieren, haben stadtweit ebenfalls „nur“  55,22  Prozent der Wähler teilgenommen.


Um eines klar zu stellen: Ich bin ein absoluter Fan der repräsentativen Demokratie. In dieser sind die gewählten Vertreter damit beauftragt, Sachfragen nach bestem Wissen und Gewissen zu entscheiden. In der konkreten Frage nach der Zukunft des Marktplatzes hat sich der Rat jedoch lange um eine Entscheidung gedrückt. Am Ende hat man beschlossen, stattdessen die Bürger an die Urnen zu rufen. Das war feige. Schließlich offenbart sich nun, dass es unter den Ratsmitgliedern sehr wohl eine klare Meinung und eine stabile Mehrheit gegen eine Sperrung gibt. Statt sich dazu zu bekennen, setzte man jedoch darauf, dass mangelnde Mobilisierung oder eine bislang schweigende Mehrheit den Sperrungsplänen den Garaus machen würden. Dass die Abstimmung auch anders ausgehen könnte, wurde ignoriert. Das war dumm.


Nun hat Willich den Salat. Die Lösung, die der Stadtrat für besser hält, widerspricht einem sehr klaren Votum der Bürger. Für mich gibt es nur eine Lösung: Alle Ratsfraktionen - die sich ja auch samt und sonders für das Bürgervotum ausgesprochen hatten - respektieren nun die Entscheidung. Auf dieser Grundlage müssen jetzt kluge Entscheidungen für die Zukunft des Ortskerns getroffen werden. Nun eben autofrei. Anders als viele Befürworter der Fußgängerzone glauben wollen, wird sich durch die Sperrung alleine nämlich nichts zum Besseren wenden. Der große Platz muss nachhaltig mit Leben gefüllt werden, trotz Kirchenwand. Es braucht eine Initiative für größere Gewerbeflächen und bessere Mietpreise. Und die neugeschaffenen Sackgassen an der Bahn- und der Peterstraße müssen in die Aufwertung des Ortskerns einbezogen werden.


Mein Wunsch dabei: Bei diesen kommenden Entscheidungen verzichten die Ratsmitglieder auf Bürgervoten und verlassen sich nach alter und schöner Tradition wieder auf ihr eigenes Herz und Hirn. Die einzigen Bürgerbefragungen, die es künftig gibt, wiederholen sich alle fünf Jahre: Die Kommunalwahlen. Außer der Stadtrat kann tatsächlich einmal mit allen Optionen leben…


tl;dr: Der Umgang der Willicher Politik mit dem Bürgervotum zum Marktplatz ist eine Katastrophe.

Freitag, 5. September 2014

Willich: Autofrei in die Sackgasse

Keine Frage: Der Willicher Ortskern muss attraktiver werden. Über den richtigen Weg zu diesem Ziel wird derzeit gestritten. Durch eine Bürgerbefragung, die noch bis zum 08. September läuft und deren Ergebnis am 11. September im Stadtrat vorgestellt werden soll, dürfen die Willicherinnen und Willicher mitbestimmen. Konkrete Frage: Soll der Willicher Markt zur Fußgängerzone werden oder nicht. Um die nötigen Stimmen wird dabei mit allen Mitteln gekämpft. Plakate mit Bildern von überfahrenen Kindern oder vom geschlossenen Katharinen-Hospital sollen dabei Emotionen wecken. Aber eine solche Polarisierung ist irreführend. Bei der Abstimmung geht es nicht um mehr Verkehrssicherheit oder die Beseitigung aller Leerstände, sondern um eine Zukunft für unseren lokalen Einzelhandel. Es geht darum den Markt als Ortskern zu erhalten.

Deshalb halte ich die Idee in Willich eine Fußgängerzone einzurichten für falsch. In Willich gibt es nicht zu viele Autos, sondern zu wenig attraktive Läden. Egal wie hübsch und belebt die Grafiken in der Informationsbroschüre der Stadt aussehen: Auch nach Einrichtung einer Fußgängerzone wird die BHW keine Außengastronomie einführen. Könnte man auf diese Weise für mehr Leben im Ortskern sorgen, müsste Anraths Zentrum ein blühendes Beispiel für diese Behauptung sein. Ist es aber nicht.


Für die größten Probleme bei der Ansiedlung attraktiver Läden sorgen in allen unseren Stadtteilen zwei Faktoren: Zu kleine Ladenflächen und zu hohe Mieten. An anderer Stelle hatte ich bereits ausführlicher zu diesem Thema gebloggt. Ein gutes Beispiel für diese Tatsache kann man übrigens direkt am Markt besichtigen: Das Cafe Kleeberg. Erst als die Wirtschaftsförderung der Stadt das Gebäude gekauft, die Räumlichkeiten in Ordnung und den Laden zu einem vernünftigen Preis auf den Markt gebracht hat, wurde der langjährige Leerstand beseitigt. Das sich einige Willicher Wirte durch diese Aktion der Stadt bedroht sahen, zeigt allerdings auch deutlich eines der bisherigen Probleme auf.


Und nein: Ich möchte dabei nicht leugnen, dass der Markt dringend saniert werden muss. Aber ich bin mir sicher, dass man auch mit Autoverkehr einen attraktiven Platz schaffen kann. Um Verkehr zu leiten braucht man nicht unbedingt Poller, um einem Platz Aufenthaltsqualität zu verleihen nicht zwangsläufig Spielgeräte. Die Möglichkeit mit dem Auto zu halten, bleibt jedoch für viele Läden wichtig. Schließlich gibt es nicht nur Cafes am Markt.Was ich mich zudem frage: Was wird aus den Läden an der Peter- und der Bahnstraße? Sie können nicht oder nur indirekt von einer Umgestaltung des Marktplatzes profitieren. Bei einer Sperrung des Marktes plötzlich in einer engen Sackgasse zu liegen, wird ihnen aber schaden. Auch diese Straßen gehören zu unserem Ortskern.


In Willich kommt außerdem noch eine besondere Situation hinzu: Auch wenn alle Ladenlokale am Markt belegt wären und sogar alle Tische nach draußen stellen würden, bleibt eine Seite des Platzes eine kahle Kirchenwand. Das war zwar nicht immer so, aber von der alten Umbauung der Kirche ist nur das Hinzen-Häuschen geblieben. Hier würde ich mir wünschen, dass einmal über eine moderate Bebauung nachgedacht wird. Wenn neben Hinzen noch ein Cafe oder Restaurant auf den Platz ragen würde - oder ein Ladenfläche geschaffen würde, die auch für ein Geschäft wie H&M oder Strauss attraktiv wäre - wäre mehr gewonnen als durch jeden Umbau des Platzes. Für Schützenfest und die Tribüne bliebe trotzdem genug Raum.



Jede Menge Platz: An der Ostseite der Kirche steht nur ein Häuschen.
Statt beim Markt nur an der Oberfläche zu kratzen und sich um die Kosmetik zu kümmern, müsste nun endlich an den Gründen für die innerstädtische Misere gearbeitet werden. Dazu würde ich mir wünschen: Mehr Aktivität der Wirtschaftsförderung in der Innenstadt. Eine aktivere Zusammenarbeit der Immobilieninhaber untereinander, um endlich für größere Ladenlokale und fairere Mieten zu sorgen. Eine positivere Einstellung der Einzelhändler gegenüber Veränderungen und vor allem eine bessere Einstellung der Bürger gegenüber dem lokalen Einzelhandel. Jeder von uns meckert gerne über Leerstände, aber kaum jemand kauft seine Sachen noch beim Fachhändler vor Ort. Amazon, eBay und Zalando sind halt so gemütlich. Anfangen kann also jeder bei sich selbst: Internet aus und ab in die City. Aber darüber kann man nicht abstimmen - man muss es tun. 

tl;dr: Eine Fußgängerzone wird die Probleme der Willicher Innenstadt nicht lösen, sondern verschärfen.