Samstag, 31. Mai 2014

Tansania 2003: Sechs Stunden bis Dubai


Flughafen Mwanza.
Der Flughafen von Mwanza ist winzig. Eigentlich besteht er nur aus einem einzigen einstöckigen Gebäude. Müsste ich wetten, würde ich sagen dass er noch aus der britischen Kolonialzeit stammt. Im Gebäude gibt es zwei Räume: Im ersten befindet sich der Schalter, die Gepäckaufgabe - ein Loch in der Wand durch das die Koffer nach draußen auf eine Karre geladen werden - und die Sicherheitskontrolle. Im zweiten Raum stehen jede Menge alte Sofas in allen möglichen Farben und Stilen: der Wartebereich.

Um den großen Zeitverluste durch die Zollformalitäten ein wenig aufzufangen, haben wir uns entschieden für den Rückweg nach Daressalam den Flieger zu nehmen. Gebucht haben wir bei einer Chartergesellschaft: Precision Air. Ich erwarte irgendeine kleine Propellermaschine und bin entsprechend überrascht als am Fenster auf einmal ein riesiger Reifen vorbeirollt: Wir Fliegen mit einer 737 von Kenya Airways. Das Flugzeug ist größer als das Flughafengebäude.

Erst im Flieger fällt mir auf, dass noch zwei Taschenmesser in meiner Jacke und Hose habe. Der Metalldetektor im Flughafen hatte nicht angeschlagen. „Wahrscheinlich kein Strom!“ erklärt mir unser Begleiter Dismas. Er hat sein Messer pflichtbewusst am Schalter abgegeben - in Daressalam kommt es, anders als versprochen, jedoch nie an.

Unterwegs mit Dismas und Schwester Adella.
So lassen wir Musoma. das erste Ziel unserer Reise, hinter uns. Auch hier konnten wir, gemeinsam mit Bischof Justin Samba und Schwester Adella, mehrere von der Aktion Mission- und Leprahilfe geförderte Entwicklungshilfeprojekte besichtigen. Für das Abendessen ließ der Bischof extra eine Ziege schlachten und bereitete meinem Vater gemeinsam mit den Ordensschwestern und einer Tanzgruppe eine zwar verspätete, aber beeindruckende afrikanische Geburtstagsfeier.

Während die Ziege gebraten wird, erkunde ich die Umgebung. Gleich hinter dem Haus des Bischofs erhebt sich ein Kopje – also ein kleiner Berg aus Granitfelsen. Auf den Felsen und in den Bäumen wimmelt es von kleinen Affen. Es macht mir großen Spaß sie zu beobachten. Auch die Affen haben Spaß. Erst als ich zurück komme warnen mich die Mitarbeiter vor den Schlangen am Kopje. Glück gehabt.

Zurück in Daressalam nutzen wir den Samstag für eine Überfahrt nach Sanzibar, wo wir mit Bischof Augustinus Shayo verabredet sind um einige geförderte Projekte zu besichtigen. Gemeinsam mit seinen Ordensschwestern leistet er besonders für Aids-Waisen und Kinder mittelloser Eltern sehr viel. Die Fahrt mit dem Schnellboot dauert etwa 2 Stunden. Dismas und seine kleine Tochter laden wir ein uns zu begleiten. Bevor die Fahrt losgeht, gibt es erneut eine Sicherheitskontrolle. Kinder müssen jedoch nicht durch den Metalldetektor. Besonders sicher.

Mit Dismas und seiner Tochter auf Sansibar.
Auf Sansibar werde ich zum illegalen Einwanderer. Denn das man für diese Reise seinen Pass benötigen könnte, war mir einfach nicht klar. Sansibar ist immerhin ein Teil von Tansania. Erst auf dem Boot werde über mein Versäumnis informiert. Die Lösung hat Dismas auch schon parat: Ich soll einfach nicht ins Kontrollhäuschen gehen, sondern draußen auf meinen Vater und ihn warten. Das klappt. Sansibar selbst ist toll, die Stone Town beeindruckend. Und: Während mich der Überfall in Daressalam vorsichtig gemacht hat, fühle ich mich hier völlig sicher. Die Rückfahrt erfolgt bei hohen Seegang. Die meisten Passagiere finden es furchtbar. Ich stehe vorne am Bug und genieße das auf und ab der Wellen.

Poor Peoples Cola: Kokosmilch am Fahrbahnrand.
Am nächsten Tag machen wir uns nach der Sonntagsmesse mit dem zweiten Lastwagen auf den 220 km langen Weg nach Morogoro. Dort erwartet uns bereits unser Freund Pater Evod Shao, für dessen Pfarre der LKW bestimmt ist. Unterwegs löschten wir unseren Durst mit der Milch einiger frischer Kokosnüsse - poor Peoples Cola. Die Jungs die sie am Straßenrand verkaufen, holen sie einem für 1.000 tansanische Schilling, umgerechnet etwa 1 Euro, von den hohen Palmen. Frisch schmeckt die Kokosmilch ganz anders.Sprudelnd, fast als wäre sie mit Kohlensäure versetzt. Zudem erhalten die Nüsse dann noch mehr Milch und weniger Fleisch, das auch nicht fest sondern recht labberig ist. Mit einem Löffel kann man es ablösen.

Es ist unsere letzte Fahrt mit einem der Bedfords. Den dritten LKW, bestimmt für die Diözese Mahenge, müssen die Empfänger selbst in Daressalam abholen. Für uns reicht die Zeit nicht mehr. Mit Emirates geht es zurück nach Deutschland. Sechs Stunden bis Dubai, dann nach Düsseldorf. Es ist Nacht, als ich den letzten Blick auf Afrika werfe.


Alle Artikel über meine Zeit in Tansania gibt es hier.


tl;dr: Sansibar, Kokosmilch und mein letzter Blick auf Afrika. 

Donnerstag, 22. Mai 2014

Willich: Haters gonna hate

Noch wenige Tage bis zur Kommunalwahl. In Willich wird der Wahlkampf in diesem Jahr besonders verbissen geführt. Bei einigen ist sogar blanker Hass im Spiel. Für das Konsensmodell in unserer Stadt sind das schlechte Vorzeichen. Aber: Noch hat es der Wähler in der Hand.

Sie sind schon legendär, die ‚Willicher Verhältnisse‘. In den 70er und 80er Jahren bekämpften sich die Fraktionen in unserem Stadtrat bis aufs Messer. Jedes Wort wurde auf die Goldwaage gelegt, Kleinigkeiten wurden zu Skandalen aufgepumpt und die Befindlichkeiten der Parteien wurden wichtiger als das Wohl der Stadt. Es waren die beiden Fraktionsvorsitzenden Ralf-Hasso Sagner (CDU) und Bernd-Dieter Röhrscheid (SPD), die mit persönlichem Einsatz diese Zustände beendet haben. Konsens wurde in den folgenden Jahren die Regel. Heute steht Willich nicht mehr für Streit, sondern ist eine Erfolgsgeschichte. Im Stadtrat werden noch immer etwa 80 Prozent der Entscheidungen einstimmig getroffen – für die Stadt und ihre Bürger.

Für Oppositionsparteien ist es in einer solchen Situation schwierig Wahlkämpfe zu führen. In den vergangenen Jahren musste das ganz besonders die SPD merken. Bei der letzten Wahl so sehr, dass man nun einem radikalen Kurswechsel bemerkt. Aber auch bei der FDP haben die, die es lauter, härter und schmutziger wollen, Teile der Kampagne übernommen.

Dabei bleibt das grundsätzliche Dilemma: Inhaltlich sind die Unterschiede zwischen den Parteien gering. Wo aber Inhalte fehlen, müssen selbstgebastelte Skandale her.

Das Schlachtfeld dieser Empörung ist das Internet. Bei Facebook wird über Menschen, die sich seit Jahren mit großem Einsatz für ihre Heimatstadt engagieren, kübelweise Dreck ausgeschüttet. Immer in der Hoffnung: Irgendwas wird schon hängen bleiben. Im Wahlkampf scheint plötzlich alles erlaubt. Der Vertrauensverlust, den solche Schlammschlachten für die gesamte Lokalpolitik bedeuten, wird billigend in Kauf genommen. Dabei verbindet die Politiker in Willich mehr als sie trennt, nämlich die Liebe zu unserer Stadt und der Einsatz für ihre Mitmenschen. Der aktuelle Wahlkampf ist jedoch dabei, diese Einsicht zu verschütten.

Besonders ärgerlich ist, dass es Kommunalpolitiker sind, die diesem Hass befeuern. Kein Vergleich ist dabei zu billig. Willich mit Russland zu vergleichen schlichtweg ein Unding.


FDP-Ratskandidat Klein: Wie in Russland...
Nicht nur die Zahlen in diesem Beitrag sind schräg: Der Bürgermeister, vor einigen Wochen angeblich noch unfähig eine Verwaltung zu führen, wird in diesen Beiträgen plötzlich zu einem Diktator gemacht, der unsere Stadt mit harter Hand unterdrückt. Wenn man dieses Bild bis zu Ende denkt, kann man erschrecken.

Offenbar wird Wahlkampf in diesem Jahr nicht mehr als Kampf um die besseren Konzepte verstanden, sondern als Kampf gegen Personen. Wenn ein Vorschlag, eine Anmerkung oder eine Bilanz von jemand anderem kommt, muss sie nach dieser Logik falsch sein.


Dabei kommen dann Kuriositäten heraus, wie die Behauptung von Herrn Donath, dass es gar keine gute Nachricht sei, wenn es in der Stadt mehr Ausbildungsplätze als Schulabgänger gibt. Im Gegenteil: Es sei eine schlechte Botschaft, denn offenbar gäbe es in Willich zu wenig Schulabgänger. Wie die FDP künftig für mehr Schulabgänger in Willich sorgen möchte, bleibt dabei natürlich ein Rätsel.


Was die Brandstifter auf allen Seiten vergessen: Nach der Wahl muss man sich im Stadtrat wieder in die Augen schauen und die Hände schütteln können. Nicht weil es einem selber so gefällt,  sondern weil es um die gemeinsame Stadt geht. Auf deren Wohl wird man als Ratsmitglied vereidigt.


Auch wenn Klappern zum Handwerk gehören mag, solche Boshaftigkeiten wie in diesem Jahr gehören nicht in den Wahlkampf. Hass hat hier nichts zu suchen. Willicher Verhältnisse braucht keiner mehr. Am kommenden Sonntag haben es die Wähler in der Hand, dem Hass Einhalt zu gebieten.


tl;dr: Der teilweise hasserfüllte Wahlkampf im Internet schadet dem Willicher Konsensmodell. 

Donnerstag, 15. Mai 2014

Tansania 2003: Fünf Tage auf der Straße

Nach fünf Tagen und 1.235 Kilometern haben wir unser Ziel erreicht. Völlig durchgeschwitzt, alle Poren gefüllt mit Staub, durstig und müde kommen wir in Musoma an. Der Blick auf den Viktoriasee lässt die anstrengende Fahrt jedoch vergessen.


In der Massaisteppe.
Aber der Reihe nach: Bevor wir Arusha verlassen können, müssen wir noch zur Nationalparkverwaltung. Die Parks dürfen nur von Fahrzeugen mit einem Gewicht von bis zu 10 Tonnen durchfahren werden. Wir brauchen mit unseren 11 Tonnen eine Sondergenehmigung. Der Nationalparkdirektor James Lembeli unterschreibt sie selbst, als er vom Grund unserer Reise erfährt.

Hinter Arusha beginnt die weite Massaisteppe. Trockenes Gras und trockene Sträucher soweit man schauen kann. Erst bei Mtu wa Mbu ändert sich die Landschaft. Links der Straße liegt der bewaldete Lake Mayara Nationalpark - berühmt für die Löwen die dort auf Bäumen klettern. Begrenzt wird der Park durch den Großen Afrikanischen Grabenbruch, der sich wie eine riesige Wand hinter Park und Ortschaft erhebt. In langen Serpentinen klettert unser LKW hinauf. Der Ausblick auf den Lake Manyara ist atemberaubend schön.


Oben angekommen hat sich die ganze Landschaft verändert. Rund um Karatu sieht das Land für eine Weile so aus, wie ich mir die Toskana vorstelle. Hier sehe ich das erste Mal große Getreidefelder, gesäumt von hohen Zypressen. Die Straße wird dafür bedeutend schlechter. Staub statt Asphalt und viele Schlaglöcher machen die Fahrt zur Tortur. Für 78 Kilometer brauchen wir über 5 Stunden. Für unseren allradbetriebenen Bedford jedoch kein Problem.

Wir übernachten auf dem halben Weg zum Ngorongoro-Krater, auf einer Kaffeefarm der Ordenskongregation der Mary-Sisters. Hier gibt es keinen Strom und kein fließendes Wasser. Das einzige Licht ist eine kleine Flamme im Esszimmer, die mit Biogas betrieben wird. Als wir zur Hütte gehen in der wir schlafen, ist es so finster wie noch nie in meinem Leben. Wir stehen noch lange draußen in der kühlen Hochlandluft und schauen in den unglaublichen Sternenhimmel. Ich fühle mich ganz klein. Nirgends sieht man ein Licht, das Land ist dunkel und geheimnisvoll. Es ist der 18. August, morgen hat mein Vater Geburtstag.

Am nächsten Tag machen wir uns in aller Frühe auf den Weg. Die Ordensfrauen versorgen uns für die Reise mit Kartoffelchips, Brot und einem eigens für uns geschlachteten Huhn. Kalter Nebel steigt aus den Wäldern, als wir die Straße hinauf zum Ngorongoro-Krater nehmen. Das erste Mal muss ich in Afrika eine Jacke anziehen. Schaut man den bewaldeten Hang hinunter, kann man das Wild in den Lichtungen stehen sehen. Elefanten und Gazellen.

Am Kraterrand angekommen, machten wir noch einen kurzen Stopp in der Pfarre des amerikanischen Spiritanerpaters Joe Herzstein. Ein alter Bekannter meines Vaters, der hier unter den Massai lebt. Die Massai dürfen als einzige auch innerhalb des Nationalparks leben und ziehen mit ihren Rinderherden bis hinunter in den Krater.

Erst am Nachmittag erreichten wir das Tor zur Serengeti. Während Dismas und mein Vater die Formalitäten regeln, erkunde ich die Kopjes - kleine Granitfelsen, die aus der Steppe aufragen und vielen Kleintieren Unterschlupf bieten. Auf der Fahrt zur Seronera-Lodge, in der wir die Nacht verbringen wollen, wird es wieder atemberaubend. Löwinnen laufen vor uns auf der Piste. Als wir halten umkreisen sie den Wagen. Wir klettern durch die Luke und schauen vom Dach aus zu. Hyänen, Wildhunde, unzählige Gazellen und sogar seltene Geparden sehen wir auch.


Am Hippopool.
Angekommen in der Lodge, die mitten im Nationalpark liegt, feiern wir mit eiskaltem Safari-Lager-Bier ein wenig Geburtstag. Auf der Terrasse hören wir dabei die Löwen in der Dunkelheit brüllen. Ganz anders als man es sich vorstellt – ganz anderes als der Metro-Goldwyn-Mayer-Löwe – tief, halb grunzend, aber bis ins Mark gehend. Auf die Nacht in der Lodge freue ich mich, denn dank der Klimaanlage gibt es keine Moskitos.

Während wir uns fertig machen, klopft Dismas, der das Zimmer neben uns bezogen hat, aufgeregt an unsere Türe. Nur mit einem Handtuch bekleidet - er war gerade duschen - will er uns einen besonderen Besucher zeigen: Vor unserem Fenster grast ein Nilpferd. Nach der Begeisterung kommt die Ernüchterung. Die Zimmertür unseres Begleiters ist ins Schloss gefallen, der Schlüssel drinnen. Wir müssen zur Verwaltung der Lodge. Außen rum. Die Freude über das Nilpferd lässt dadurch deutlich nach. Auch der Direktor der Lodge ist unruhig als er vom Nilpferd hört. Dazu kommt: Auch andere Tiere kommen nachts wegen des saftigen Rasens zur Lodge. Zäune gibt es keine. Zurück zum Zimmer begleitet uns ein Ranger. Nicht nur mit dem Schlüssel, sondern auch mit einem Gewehr.

Ich werde am nächsten Morgen früh wach, denn Affen laufen über unser Dach. Vorm Fenster grasen Gazellen. Afrika. Nach fünf weiteren Fahrstunden und 130 Kilometern verlassen wir die Serengeti. Zwei Stunden noch bis Musoma, wo uns Bischof Justin Samba bereits erwartet. Nach fünf Tagen auf der Straße ist der erste LKW am Ziel.


Alle Artikel über meine Zeit in Tansania gibt es hier.


tl;dr: Bei unserer Reise durch Tansania habe ich zum ersten Mal Löwen brüllen gehört.

Eine Mühle in Arusha

Bloggen macht Spaß. Vor allem wenn regelmäßig Rückmeldungen bekommt. In meinem letzten Post über unsere Tansania-Reise habe ich auch den ersten Afrikaaufenthalt meines Vaters im Jahr 1987 erwähnt. Für alle die mehr wissen wollten, hab ich jetzt ein altes Video ausgegraben.


Mein Vater hat damals als Vorsitzender der Aktion Mission und Leprahilfe bei der Europäischen Gemeinschaft Fördermittel für den Bau einer Mahl- und Mischanlage beantragt. Eine Mühle für Tierfutter. Ganz konkrete Hilfe zur Selbsthilfe. Als die Förderzusage der EG an die Bedingung geknüpft wurde, dass jemand vor Ort den Mitteleinsatz kontrolliert, flog mein Vater für sechs Wochen - sein Jahresurlaub plus drei Wochen unbezahlten Urlaubs - nach Tansania. Mit im Gepäck: Seine Videokamera. Meine Schwester und eine ihrer Freundinnen haben daraus diesen Film gedreht:


Eine Mühle in Arusha from Christoph Heyes on Vimeo.

Alle Artikel über meine Zeit in Tansania gibt es hier.

tl;dr: Im Jahr 1987 hat Josef Heyes eine Mühle in Arusha/Tansania gebaut. Meine Schwester hat daraus einen wunderbaren Film gemacht.

Donnerstag, 8. Mai 2014

Ja, ich liebe Europa!

Beim TV-Duell schauen im Adenauer-Haus (Foto: @WirsindCDU).
Ich bin verliebt. Sie ist zwar alt, aber dafür wunderschön. Nicht unkompliziert, aber  immer aufregend. Und sie ist groß. So groß, dass sie meinen Träumen Raum bietet. Ich bin verliebt in die europäische Idee. Deshalb war heute ein besonderer Tag für mich. Heute gab es eine Premiere. Das erste TV-Duell zur Europawahl. Nur möglich, weil es in diesem Jahr erstmals Spitzenkandidaten zur Wahl gibt. Und ganz egal wie man dieses Duell oder seinen Ausgang bewertet: Das es stattgefunden hat, ist alleine schon eine wunderbare Nachricht.

Ja, auch ich ärgere mich oft über dieses Europa. Zuletzt als Ölkännchen zum Politikum wurden. Aber: Veränderung besteht oft aus kleinen Schritten. Und der heutige Schritt ging in die richtige Richtung. Erst seit 1979 wird diese Versammlung direkt gewählt, die sich seit 1987 Europäisches Parlament nennen darf. Seither wurden die Kompetenzen des Parlaments in Maastricht, Amsterdam, Nizza und Lissabon jeweils erweitert. Wieder eingeschränkt nie. Und auch hinter die neuerlichen Änderungen wird man nicht mehr zurückkommen. Die Spitzenkandidaten, die Duelle - all das wird dem Parlament mehr Selbstbewusstsein geben und mehr Einfluss. Und hoffentlich wieder mehr Wähler.

Das ich doppelt zufrieden bin, liegt auch an Jean-Claude Juncker. Den fand ich schon prima bevor er Spitzenkandidat wurde. Wir sind halt beide Christdemokraten. Klar, dass er für mich der klare Sieger des heutigen Duells ist.

Das der Sieger der Europawahl auch wirklich Kommissionspräsident wird, ist leider nicht ganz so klar. "Es gibt keinen Automatismus" sagt die Kanzlerin. Übrigens gilt das - die Zeitungen vergessen das gerne - für beide Kandidaten. Die Regierungen der Mitgliedsländer haben sich lediglich dazu verpflichtet, den Wahlausgang zu berücksichtigen. Aber ich bin mir sicher: Ein starkes Ergebnis können die Regierungschefs nicht ignorieren. Zu groß wäre der Schaden. Ein Zurück hinter diesen Tag gibt es nicht.

Das heißt: Wir können selber mehr Europa erreichen - wenn viele wählen gehen. Am 25. Mai kannst auch Du mithelfen!

tl;dr: Wenn bei der Europawahl viele wählen gehen, können wir Europa verändern.

Mittwoch, 7. Mai 2014

Tansania 2003: Vier Reifen, elf Tonnen

Pause am Fuß der Usambaraberge.  
Alle Last der letzten Tage fällt von uns ab, als wir mit dem ersten unserer drei 8-Tonner nach zwei Wochen endlich die Großstadt verlassen. Der Wind weht die schwüle Hitze Daressalams einfach weg. Die meiste Zeit sitze ich in der Maschinengewehrluke auf Dach des Lastwagens. Die Beine im Wagen, die Arme hinterm Rücken auf der Plane ausgestreckt. Die Perspektive ist herrlich. Auf der Ladefläche: Elf Tonnen Hilfsgüter für die Diözese Musoma.

Bevor die Leprahilfe den Bedford bei einer Auktion der britischen Armee erstanden hat, war er im Irak im Kriegseinsatz. Die Tarnfarbe musste vor der Einfuhr nach Tansania übermalt werden. Das kleine aufgemalte Känguru auf der Türe - wohl ein Symbol der Armeeeinheit - haben wir trotzdem gelassen. Das 7.Signal-Regiment der britischen Armee in Elmpt - unter dem Kommando von Major Peter Alexander - hatte die LKW nochmals besonders gründlich durchgecheckt, als klar war, dass die Leprahilfe sie für Tansania ersteigert hat.

Hinter Daressalam weitet sich das Land und die Straße führt vorbei an Bananen- und Sisalfeldern nach Norden. Vorbei an der langen Kette der Usambara- und der Para-Mountains, die umso grüner werden, je weiter wir vorankommen. Und plötzlich ist er da. Von Anfang an riesig und majestätisch taucht der Kilimandscharo aus dem Dunst auf. Unser Ziel an diesem Tag.

In Moshi, am Fuß des gigantischen Berges, stellen wir den LKW im Klosterhof der Schwestern vom Orden „Unsere liebe Frau vom Kilimandscharo“ ab. Mit dem Landrover fährt uns Schwester Dr. Henrika Henrikus bergauf nach Kibosho. Dort 1.400 Meter hoch, inmitten des Urwaldes, zwischen Bananen, Eukalyptus- und Mangobäumen leitet sie ein großes Hospital. Es ist finstere Nacht als wir ankommen. Ich habe vom langen Tag einen leichten Sonnenstich. Für meinen Vater gibt noch eine besondere Überraschung. Im Vorgriff auf seinen Geburtstag am 19. August gibt es eine unglaublich bunte Torte. Auch ich fühle mich beschenkt: In der Höhe sind die Nächte so kühl, dass es keine Mücken gibt. Das erste Mal seit zwei Wochen schlafe ich ohne Moskitonetz.


Am nächsten Morgen stehen allerlei Besichtigungen auf dem Plan. Voller Stolz zeigen uns die Schwestern die Krankenbetten, die Wasserversorgung, die Medikamente, das Ultraschallgerät, die Mutter-Kind-Station, den Brutkasten, die Biogasanlage, die Energiesparöfen und den im Bau befindlichen Operationssaal. Alles Projekte, die von der Leprahilfe in Schiefbahn unterstützt wurden. Hinter dem Wald, der das Hospital umgibt, ragt eine große romanische Kirche auf. Ein unwirkliches Bild. Deutsche Spiritaner-Missionare haben hier die Basilika das Klosters Knechtsteden nachgebaut.

Anschließend verlassen wir die angenehme Höhe schon wieder. Im Kloster in Moshi haben die Schwestern noch eine Bitte: Sie brauchen Ersatzteile für einen kaputten LKW. Als wir uns den Wagen anschauen, können wir es nicht glauben. Vor uns steht ein echter Oldtimer. Das Baujahr des Wagens dürfte in den 40er oder 50ern liegen. Gut gepflegt lief er ein halbes Jahrhundert. Überall wo ich auf Schwestern-Orden treffe, beeindruckt mich die Organisation, Verantwortung und Sauberkeit.


Am Grab von Pater Julius, einem Freund, in Loruvani.
Unsere nächste Station kennt mein Vater von seinem ersten Afrikaaufenthalt. In Arusha am Fuße des Mount Meru hat er im Jahr 1987 eine Mahl- und Mischanlage für Tierfutter gebaut. Seither hat sich die Stadt rasant entwickelt. Auch weil der UN-Gerichtshof für Ruanda hier seinen Sitz hat. Im Provinzialat der Ostafrika-Provinz der Spiritaner treffen wir mit Pater Evarist Shayo einen alten Bekannten aus Deutschland. Gemeinsam mit ihm fahren wir aus der sauberen Innenstadt in einen kleinen, armen und schmutzigen Vorort. Dort in der Loruvani-Parish, wo die Leprahilfe einen Kindergarten gefördert hat, feiert Pater Vincent Lymo gerade die Kindermesse. Wir schleichen uns in die letzte Bank um nicht zu stören. Doch als sich das erste Kind umblickt und laut „Mzungu“ (Weißer) ruft, ist es mit der Ruhe vorbei. Über 400 Kinder sind ganz begeistert von den beiden Europäern.

Alle Artikel über meine Zeit in Tansania gibt es hier.


tl;dr: Die Basilika des Klosters Knechtsteden steht nachgebaut am Hang des Kilimandscharo.