Sonntag, 16. August 2015

Willich: Politisches Laienspiel

Neersen: Publikum gespannt, doch (noch) nix zu sehen.
Kaum sind die Neersener Schlossfestspiele vorbei, startet in Willich das nächste Sommertheater. Diesmal keine große Kunst, sondern echte Provinz. Die Darsteller nicht Michael Schanze und Sarah Elena Timpe, sondern CDU und SPD. 

Um was es geht: Ein Zebrastreifen und ein Webformular. Beides keine politischen Fragen und beides Dinge die die Verwaltung auch komplett ohne Stadtrat hätte umsetzen können. Trotzdem gibt es Streit um die Frage: Wer hat's erfunden? 

In gewisser Form ist diese Auseinandersetzung die logische Fortsetzung des Kommunalwahlkampfes 2014. Schon damals ging es im Grunde nicht um Inhalte, sondern um Gefühle. So warf die SPD den Christdemokraten vor, die Stadt "nach Gutsherrenart" zu regieren. Die satte absolute Mehrheit der Union, mit der sie 2009 immerhin die Wähler ausgestattet hatten, wurde als irgendwie undemokratisch dargestellt. 

Am Ende verlor die Willicher CDU nach 15 Jahren - in denen sie ihre absolute Mehrheit bei jeder Wahl weiter ausgebaut hatte - fast jeden fünften ihrer Wähler. Ein Absturz um katastrophale 10,42 Prozentpunkte. Seitdem haben SPD, Grüne und FDP einen Sitz mehr im Rat als die Union. In Zahlen: Die CDU hat, zählt man den Bürgermeister mit dazu, 24 Stimmen. Einen mehr, nämlich 25, vereinen SPD, Grüne und FDP auf sich.

Im Wahlkampf wurde so getan, als ob sich ohne absolute Mehrheit der Union alles in Willich ändern würde. Doch ist seitdem eigentlich etwas anders geworden? Dass es nun zwischen den verschiedenen Fraktionen mehr menschelt ist eine Stilfrage, aber im Kern keine Politik. Die Ratsmitglieder sind nicht gewählt um ihr Hobby angenehm zu gestalten, sondern um die Stadt nach vorne zu bringen.  

SPD, Grüne und FDP hätten nun die Chance dazu, aber der Mangel an inhaltlichen Positionen setzt sich fort. Einzig bei der Entscheidung über eine Resolution gegen Fluglärm gab es bisher erwähnenswerten politischen Dissens mit der Union.

Auffällig ist vor diesem Hintergrund auch die Präsenz im Stadtrat: Seit der Wahl hatten SPD, Grüne und FDP nur bei fünf von zehn Sitzungen eine Stimmenmehrheit. Viermal davon jedoch nur, weil bei der CDU noch mehr Ratsmitglieder fehlten. Nur bei der ersten, der konstituierenden Sitzung am 12. Juni 2014, waren alle 25 Ratsmitglieder von SPD, Grünen und FDP anwesend. Die Gestaltungsmacht, mit der die Wähler sie ausgestattet haben, lassen die drei Parteien bisher ungenutzt verfallen. Die absolute Mehrheit der Union ist dahin, das große Ziel erreicht, aber mehr als Kosmetik ist nicht dabei herausgekommen. Das Steuerruder der Kommunalpolitik hält nach wie vor die CDU.

Bei der Union fehlten in den ersten zehn Stadtratssitzungen zwölfmal Ratsmitglieder, bei der SPD fünfmal, den Grünen viermal und bei der kleinen FDP-Fraktion sogar zehnmal. Rechnet man dies in eine Quote um, liegen die SPD mit 96,15 Prozent und die CDU mit 94,78 Prozent bei der Anwesenheit vorne. Dicht dahinter folgen die Grünen mit 93,33 Prozent. Mit weitem Abstand folgen die Liberalen, die nur auf 83,33 Prozent kommen. Dass es im Stadtrat zu keiner Mehrheit jenseits der Union kommt, liegt - ausgerechnet - an der FDP.

tl;dr: Ohne absolute Mehrheit der CDU sollte in Willich alles anders werden. Doch nach zehn Ratssitzungen fragt man sich: Hat sich wirklich etwas geändert?