Samstag, 14. Oktober 2017

Maß und Mitte

Es ist also passiert. Die AfD sitzt im Bundestag. Das erste Mal in der Geschichte unserer Republik hat es die extreme Rechte ins Parlament geschafft. Es hat sich seit Wochen abgezeichnet und konnte - anders als vielleicht Brexit oder Trump - keinen überraschen. Das ist vielleicht auch das Erschreckendste: Kein Nichtwähler kann behaupten, er habe das nicht ahnen können. Kein AfD-Wähler kann sagen, er habe nicht gewusst was er tut. Auch wer die AfD nur aus Protest gewählt hat, hat seine Stimme damit gegen unsere Art zusammen zu leben abgegeben.

Dass diese unter Druck steht, wissen wir nicht erst seit gestern. Man muss gar nicht auf die USA oder Großbritannien verweisen. Bei den Wahlen in Österreich, Frankreich und den Niederlanden ist es für die demokratische Sache nur knapp gut gegangen. In Polen und Ungarn marschieren zwei Staaten Europas zurück in autoritärere Strukturen. Die Entwicklung in China scheint zu zeigen, dass – anders als wir lange selbstbewusst glaubten – wirtschaftlicher Erfolg und gesellschaftliche Liberalität sich vielleicht doch nicht bedingen. Eine Lektion, die man auch in Russland gelernt hat.

Man könnte also leicht glauben, dass das Zeitalter der Freiheit seinen Zenit überschritten hat. Dass alles schlechter wird und gestern alles besser war. Aber das wäre falsch. So herausfordernd die Zeiten auch sind, wir dürfen Mut haben. Auch deshalb, weil wir eine starke Verfassung haben. So wie man Verträge - von der Unternehmenssatzung bis zum Ehevertrag - vor allem für die schlechten Zeiten verfasst, ist es auch mit unserem Grundgesetz. Die kommenden vier Jahre werden nicht einfach, aber genau für eine solche Situation wurde die Verfassung geschrieben.

Es ist jetzt an uns zu handeln anstatt nur beobachtend daneben zu sitzen. Was also gilt es jetzt zu tun?

Ruhe bewahren: Der Einzug der AfD in den Bundestag ist kein Weltuntergang, solange man ihn nicht dazu macht. Rechtspopulisten leben von Aufmerksamkeit und die wurde ihnen viel zu oft gegeben. Im Parlament darf dies nicht so weiter gehen. Wer nun mit Tricks und Schummeleien versucht, die parlamentarischen Regeln gegen die AfD zu verwenden, der schadet am Ende nicht den Rechten, sondern dem Parlament und betreibt damit das Spiel der Populisten. Man darf sicher sein: Der Bundestag  überlebt auch Ausschussvorsitzende, Alters- und Vizepräsidenten von der AfD.  Nur wenn jetzt auch die Demokraten aufhören nach den Regeln zu spielen, dann wird es gefährlich. Also: Gelassen bleiben.

Themen setzen: Statt die Diskussion fortzusetzen, wie weit nach rechts die Politik jetzt rücken müsse, endlich wieder selbst die Agenda setzen und über die eigenen Themen sprechen. Anstatt über eine Krise von gestern zu reden, sollten wir lieber die Probleme von morgen anpacken. Unser Land braucht neue Impulse für Europa, Pflege, Rente und Digitalisierung. Die AfD, die sich über gemeinsame Ablehnung und nicht über gemeinsame Ideen definiert, wird dabei schnell an Grenzen stoßen. Sobald es um die Zukunft geht, ist sie aufgeschmissen. Wer jetzt hingegen versucht die Rechten zu kopieren wird nur erneut lernen, dass die Menschen im Zweifel immer lieber das Original wählen.

Arbeit beginnen: Die Union hat die Wahl gewonnen. Sie hat sich um einen Regierungsauftrag beworben und ihn erhalten. Es mag kein Triumphzug gewesen sein, aber ein Mandat zu handeln. Also: Verantwortung annehmen und sondieren. Frei nach Beckenbauer: Geht‘s raus und bildet‘s eine Regierung. Dem rechten Mythos von der parlamentarischen Quasselbude, der schon in Weimar furchtbare Ernte einfuhr, kann man den Boden am besten dadurch entziehen, dass man arbeitet.

Ach ja: Und selbst aktiv werden. Denn nur wer sich einsetzt, darf sich nachher beschweren. Demokratien scheitern nicht an zu vielen Extremisten, sondern an zu wenigen Demokraten. Deshalb: Rein in die Parteien und ran an die Diskussionen!