Freitag, 28. Februar 2014

Willich: Was ist mit unseren Sälen los?

Altes Bild zu aktuellem Thema: Saalkarneval in Schiefbahn.
Gesetze sind langweilig. Und Langeweile ist doof. Einen besonderen Zauber auf die Leser mögen allerhöchstens die ersten Artikel des Grundgesetzes entfalten, aber auch damit ist es spätestens ab Artikel 20 wieder vorbei. Dies scheint mir der Grund zu sein, weshalb Gesetze in politischen Debatten oftmals keine richtig überzeugende Rolle spielen. Dabei sind sie oft maßgeblich.

Ein Beispiel aus unserer Stadt ist die Diskussion über die Säle. Jeder hat mitbekommen, dass dort irgendetwas schief gelaufen ist. Nachbarn haben geklagt oder sich beschwert und sowohl in Neersen als auch in Schiefbahn ist die Saalnutzung seitdem nur noch eingeschränkt möglich. Aber wieso ist das so?

Weil Gesetze nun einmal trocken, langweilig und doof sind, hat sich in der Diskussion folgendes Erklärungsmuster durchgesetzt: „Die Stadtverwaltung hat bei der Genehmigung rechtliche Fehler gemacht und so den Vereinen, die auf diese Säle angewiesen sind, massiv geschadet. Nun bekommt sie es nicht einmal hin, diese Fehler zu beseitigen und fällt wieder und wieder auf die Nase.“  Mit Martina Stall, die in den „sozialen“ Medien gerne als eine Art böse Hexe charakterisiert wird, als zuständiger Dezernentin, wurde dem ganzen zudem noch ein ungeliebtes Gesicht verpasst. Dem Bürgermeister, der sich übrigens die Hacken wund gelaufen hat, um in Schiefbahn und Neersen persönlich zwischen Vereinen und Anwohnern zu vermitteln, wurde in diesem Stück die Rolle des Trottels zugedacht. Irgendwie bemüht, aber dann doch nicht in der Lage, die unfähige Verwaltung dazu zu bringen eine rechtssichere Satzung zu verabschieden. Soweit die Legende.

Die Wahrheit ist aber eine andere und hier kommen die Gesetze ins Spiel. Der Grund für die Probleme sind Anwohnerklagen. Und in unserem Staat ist das Recht des Einzelnen dem Recht der Vielen nun einmal nicht untergeordnet. Das ist Bundesrecht, Artikel 2 (1) und Artikel 14 (1) des Grundgesetzes. Dabei ist es egal wie viele wegen dem einem Nachbarn nicht feiern können. Das mag man verfluchen, bedauern oder fürchterlich finden - aber es ist trotzdem so. Egal was die Stadtverwaltung oder die Vereine unternehmen.

Warum es solchen Ärger früher nicht gegeben hat? Wohl weil unserer Gesellschaft seitdem das Zusammengehörigkeitsgefühl abhanden gekommen ist. Wahrscheinlich, weil der Kläger früher mit Mistgabeln aus dem Ort getrieben worden wäre. Aber: Die Zeiten haben sich geändert. Die Haltung, auf die Interessen der Gemeinschaft zu pfeifen und sich nur um sich selbst zu kümmern, findet man längst auch in anderen Bereichen unseres täglichen Lebens. Klagen wegen Lärmbelästigung durch Schützenfestumzüge? Früher unmöglich, aber seitdem der erste Willicher Schützenkönig aus Wekeln kam gelebte Realität. Leute, die sich bei Feuerwehreinsätzen darüber beschweren, dass die Löschfahrzeuge die Straße blockieren? Eben letzte Woche noch passiert. Menschen, die wegen Zahnschmerzen mitten in der Nacht den Rettungswagen rufen? Aber hallo!

Natürlich, dies ist keine Entschuldigung: Die Stadt sollte trotzdem in der Lage sein rechtssichere Genehmigungen auszustellen. Ich behaupte aber: Das kann sie auch. Eine rechtssichere Genehmigung sähe aber so aus: Noch mehr Einschränkungen für die besagten Hallen. Oder, um ganz sicher zu gehen: Keine Veranstaltungen nach 22 Uhr mehr. Das wäre gerichtsfest, aber eben auch das Ende für viele Veranstaltungen und wohl auch für viele Vereine. Eine solche Genehmigung möchte die Stadtverwaltung nicht ausstellen. Deshalb geht sie bei neuen Genehmigungen wieder und wieder an die Grenzen des Machbaren - und auch darüber hinaus. Und deshalb kassiert sie vor Gericht immer wieder Klatschen. Auch wenn die Vereine dies noch nicht verstanden haben: Die Verwaltung ist zurzeit ihr allerbester Freund.


tl;dr: Anwohner klagen gegen Willichs Säle. Die Stadtverwaltung ist dabei der beste Freund der Vereine.