Gewonnene Vorwahlen: Trump (rot), Cruz (gelb), Rubio (grün). |
Wer Donald Trumps Erfolg verstehen will, muss Amerikas Vorwahl- und Parteiensystem begreifen. Zunächst sind Vorwahlen nicht in jedem Staat geschlossene Parteiveranstaltungen. Bei offenen Vorwahlen und den sogenannten semi-offenen und semi-geschlossenen Varianten dürfen auch Bürger mit entscheiden, die sich nicht zur Partei bekennen. Doch auch geschlossene Vorwahlen sind nicht unbedingt exklusiv.
Denn anders als in Europa sind Parteien in den USA keine festen Organisationen, sondern lockere Zusammenschlüsse. Es gibt kein Programm und keine Verstöße gegen selbiges, keine Ortsverbände oder Mitgliedsausweise. Eine Mitgliedschaft muss man nicht beantragen, man lässt sich vielmehr bei der Wählerregistrierung (auch anders als bei uns) einfach als Republikaner oder Demokrat eintragen. Das ist alles. Und genau das macht das amerikanische Parteiensystem anfällig für große Veränderungen.
Ein Beispiel für ein solches sogenanntes Realignment: Bis in die 1964 waren die amerikanischen Südstaaten eine Hochburg der Demokraten, da die Republikaner als Partei von Abraham Lincoln als unwählbar galten. Erst durch die Bürgerrechtspolitik der Kennedy-Regierung wurden die konservativeren Republikaner für viele Südstaatler zu einer Alternative. In der Folge verließen viele der konservativeren Südstaatendemokraten ihre Partei. Heute ist der Süden fest in der Hand der Republikaner.
Von dieser lockeren Bindung zwischen Partei und Mitglied profitiert derzeit Donald Trump. Seine Wähler sind in der Vielzahl weiße Männer ohne Collegeabschluss, sie sind wütend auf Washington und die Medien und erhoffen sich von Trump, dass er diese Strukturen auf- oder zerbricht. Anders als hierzulande, wo man diese Wutbürger auch kennt, können sie in den USA deutlich einfacher direkten politischen Einfluss ausüben. Auf diese Weise kann Trump auf viele Bürger zurückgreifen, die sich bisher nicht politisch engagiert haben. Menschen, die sich das erste Mal als Wähler registriert haben oder schon lange nicht mehr wählen waren, sorgen jetzt für Wahlbeteiligungsrekorde.
Ihre Stimmung kanalisiert Trump. Die republikanische Partei ist für ihn dabei nur ein Gefäß, keine ideologische Heimat. Und genau deshalb reagiert das republikanische Establishment so entsetzt auf seine Ergebnisse. Dass Trump selbst seit 2009 als Republikaner registriert ist, wird sie dabei nicht beruhigen. Zuvor war er bereits Mitglied der Independence Party und der Demokraten. Sollte er gegen Hillary Clinton um die Präsidentschaft kämpfen, gäbe es zudem erstmals einen Kandidaten, der seinen Gegner früher mit Spenden bedacht hat.
Dass Hillary Clinton in einem solchen Duell seine Gegnerin würde, ist seit Dienstag fast fix. Wenn kein Skandal dazwischen kommt, dürfte ihr die Präsidentschaftskandidatur nicht mehr zu nehmen sein. Das hat mehrere Gründe: Bernie Sanders hat es auch bei dieser Vorwahl nicht geschafft, seine Wählerbasis zu verbreitern. Bei Latinos und Schwarzen, den immer wichtigeren Zielgruppen bei Präsidentschaftswahlen, verfängt seine Botschaft nicht. Das ist für ihn ein doppeltes Problem: Zum einen hat er bei den Vorwahlen im Süden der USA kaum eine Chance zu gewinnen, zum anderen traut man ihm ohne die Fähigkeit, neue Wählerschichten zu erschließen, keinen Sieg bei der Wahl im November zu. Hillary Clinton hingegen wird ihm in ihrer Sprache und bei den Themen immer ähnlicher und hat es geschafft, in seine Wählerklientel einzubrechen. Auch wenn sich Sanders über Siege in vier Bundesstaaten freuen durfte, schnitt er so am Super Tuesday schlechter als erwartet ab. Im liberalen Massachusetts, immerhin in der Nachbarschaft seiner Heimat Vermont, musste er sich Clinton geschlagen geben.
Bei den Republikanern ist das Bild nach Super Tuesday längst nicht so klar: Neben Trump, der sieben Vorwahlen für sich entscheiden konnte, darf sich vor allem Ted Cruz als Gewinner fühlen. Dem Senator gelangen Siege in Alaska, Oklahoma und seiner Heimat Texas. Er forderte seine Mitbewerber auf, ihre Kandidaturen zu beenden, ihn zu unterstützen und dann gemeinsam Trump zu schlagen. Sein Problem: Als evangelikaler Tea-Party-Vertreter gehört auch er nicht zu den Kandidaten, die sich der traditionelle Republikaner wünscht.
Dass mit Ben Carson der andere Evangelikale im Bewerberfeld seine Kandidatur, nach einen für ihn desaströsen Super Tuesday, beendet hat, könnte ihm jedoch nutzen. Dass ihm Marco Rubio oder John Kasich denselben Gefallen tun, darf man hingegen ausschließen. Beide konnten am Wahltag auf kleine Erfolge verweisen, die sie bestärken, bis zum 15. März - wenn in ihren jeweiligen Heimatstaaten gewählt wird - durchzuhalten.
Kasich eroberte in Vermont und Massachusetts jeweils den zweiten Platz. In Vermont lieferte er sich dabei sogar ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Donald Trump. Die beiden trennten am Ende nur etwa 1.500 Stimmen.
Marco Rubio dürfte sich hingegen über Kasich geärgert haben: In Virginia, wo sich seine Kampagne gute Chancen ausgerechnet hatte, musste er sich Donald Trump mit weniger als drei Prozentpunkten geschlagen geben. Kasich erzielte dort 9,4 Prozent. Ohne ihn, so die Rechnung des Rubio-Teams, hätte der Senator den New Yorker Geschäftsmann klar geschlagen. Das Manko, noch keinen Staat gewonnen zu haben, konnte Rubio trotzdem loswerden. Er sicherte sich die Vorwahl in Minnesota.
Auch wenn der Super Tuesday vorbei ist: In den kommenden Tagen gibt es einen engen Terminplan. Beide Parteien wählen in Kansas, Louisiana, Maine, Michigan und Mississippi. Die Republikaner zudem in Kentucky, Puerto Rico, Idaho, Washington D.C. und auf Hawaii und Guam, die Demokraten in Nebraska und auf den Nördlichen Marianen. Um den nächsten richtig großen Preis geht es aber erst am 15. März, wenn beide Parteien in Illinois, Missouri, North Carolina, Ohio und Florida wählen (die Republikaner zudem auch auf den Nördlichen Marianen).
Vieles wird an diesem Tag von den Ergebnissen in Florida und Ohio abhängen. Beide Staaten sind bei diesen Vorwahlen enorm wichtig. Dafür gibt es zwei Gründe: Bei den vergangenen Präsidentschaftswahlen hat sich gezeigt, dass man ohne Siege in Ohio und Florida - zwei klassische Swingstates - nicht gewinnt. Wer die Wähler hier jetzt nicht überzeugt, muss das bis November ändern. Aber auch bei diesen Vorwahlen könnten Florida und Ohio entscheidend sein, denn beide sind bei den Republikanern sogenannte Winner-Take-All-Staaten.
Das bedeutet: Der Gewinner der Vorwahlen erhält alle Delegiertenstimmen für die National Convention. In vielen Staaten werden diese Stimmen je nach Wahlergebnis (fast jeder Staat hat dabei seine eigenen Regeln) aufgeteilt. Unter denen, die nur den Gewinner honorieren, gehören Ohio und Florida dabei zu den dicksten Fischen. Für Trump wären diese Delegierten ein riesiger Schritt zum Sieg bei den Vorwahlen.
Da die beiden Staaten aber jeweils auch die Heimat eines Trump-Herausforderers sind, ist dies auch für "The Donald" kein Selbstläufer. Während die Umfragezahlen von Marco Rubio in Florida bislang allerdings mau aussehen, könnte Kasich tatsächlich der einzige Kandidat sein, der Trump in Ohio gefährlich werden könnte.
tl;dr: Dieser Tuesday war für die republikanische Partei alles andere als super. Warum Trump dennoch gewählt wurde, was am Super Tuesday sonst noch passiert ist und wie es nun weiter geht.