Viele Milchbauern fürchten derzeit um Ihre Existenz. Grund sind die niedrigen Milchpreise. Mit ihren Problemen ernten sie bei vielen Menschen allerdings kein Verständnis. Das ist schade, denn es zeigt, dass uns die Landwirtschaft fremd geworden ist.
Angebot und Nachfrage regeln den Preis. Den Satz kennt jeder, denn so einfach lässt sich unsere Marktwirtschaft in der Theorie erklären. In der Theorie wohlgemerkt, denn gerade die Milch zeigt, dass Theorie zuweilen grau ist.
Anders als die meisten Unternehmer können die Milchbauern ihr Angebot nämlich nur schwer steuern. Sie können keine Maschinen abstellen, wenn zu viel Milch auf den Markt schwemmt. Bei ihnen gibt es kein Fließband, sondern Kühe. Kühe müssen auch fressen, wenn die Marktlage schwierig ist. Und, dass ist in diesem Fall am entscheidendsten: Sie produzieren jeden Tag Milch. Ihnen ist egal ob Nachfrage herrscht oder nicht.
Werden Kühe nicht gemolken, leiden sie starke Schmerzen. Im Extremfall kann sich das Euter entzünden. Auch für die Bauern ist das schlecht, denn die Milchleistung wird danach nie wieder so hoch wie zuvor.
So kommt es, dass die Nachfrage nach Milch schwankt, das Angebot aber gleich bleibt. Einfach abschalten lassen sich Kühe nicht.
Auf der Nachfrageseite wartet das nächste Problem: Den etwa 150 verbliebenen deutschen Molkereien steht ein stark verdichteter Lebensmitteleinzelhandel gegenüber. Die größten fünf Händler vereinen 80 Prozent der Marktanteile auf sich. Zuletzt war dies ein Thema bei der geplanten Übernahme von Kaisers/Tengelmann durch Edeka. Diese hohe Konzentration sorgt für eine ungeheure Marktmacht von Wenigen und einen besonders scharfen Wettbewerb.
Unter diesem Wettbewerb leiden als erste die Lieferanten. Die Molkereien und die Milchbauern sogar besonders. Der Grund: Es gibt kaum jemanden, der nicht regelmäßig Milch kauft. Somit ist sie für den Einzelhandel ein ganz besonderes Produkt. Was konkret heißt: Ein Produkt, das ganz besonders günstig angeboten werden soll. Billige Milch, so die einfache Rechnung, zieht besonders viele Kunden in den eigenen Supermarkt.
Womit die Landwirte schon vor zwei Problemen stehen: Wenig Einfluss auf das eigene Angebot, massiver Preisdruck auf der Nachfrageseite. Kaum eine Perspektive auf Besserung.
Doch trotzdem kann man natürlich immer noch die reine Lehre der Marktwirtschaft vertreten. Müssen halt einige Milchbauern über die Wupper gehen. Der Markt regelt das schon selbst. Aber was steht dabei auf dem Spiel?
Große Milchfabriken würden überleben, kleine und kleinste Betriebe nicht. Das ist auch eine regionale Frage. Die Größten findet man in Brandenburg und Norddeutschland, in Bayern und Süddeutschland die Kleinsten.
In Zahlen: Einer durchschnittlichen Herdengröße von 224 Kühen in Brandenburg stehen in Bayern lediglich 34 gegenüber. Der Durchschnitt in Deutschland liegt bei 56 Milchkühen. Diese Zahl wächst, während die der landwirtschaftlichen Betriebe abnimmt. Bereits jetzt leben in unserem Land neun Prozent der Kühe in Herden von über 500 Tieren.
Die regionalen Unterschiede sind kein Zufall, sondern landschaftlich bedingt. Auf bayrischen Almen ist das Wirtschaften schwieriger als auf der plattdeutschen Scholle. Auch die Futtermittel zu produzieren ist entsprechend teurer. Aber gerade dort erfüllt Landwirtschaft einen wichtigen, unbezahlten Zweck: Die Pflege unserer gewachsenen Kulturlandschaft. Dies ist ein umweltpolitischer Aspekt, den der Markt nicht erfasst
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Wer also eine gewachsene Kulturlandschaft möchte, und eine Landwirtschaft in der keine Milchfabriken dominieren, sollte nicht blind auf den Wettbewerb verweisen.
Was jeder selber für faire Preise tun kann? Zum Beispiel im Supermarkt nicht mehr die günstigste Milch im Regal einpacken. Oder stattdessen beim Bauern nebenan das Original kaufen und dabei auch gleich mehr über Landwirtschaft lernen. In Willich zum Beispiel bei Familie Zens, Dickerheide 200, dem ersten Betrieb im Kreis Viersen, der auf ökologische Milchviehhaltung umgestellt hat.
tl;dr: Für die Probleme der Milchbauern haben nur wenige Menschen Verständnis. Das ist schade, denn es zeigt, dass uns die Landwirtschaft fremd geworden ist.