Am Freitag hat Jenna Behrends einen offenen Brief an die Berliner CDU geschrieben, der auf Edition F veröffentlicht wurde und Sexismus in der Partei thematisiert. Die nun losgebrochene Debatte zeigt dabei eindrucksvoll, wo die Probleme der Berliner Union liegen. Gar nicht so sehr in der anzüglichen Bemerkung, sondern vor allem im Umgang damit.
Statt sich um die Botschaft zu kümmern, wird gerade versucht die Botin aus dem Fenster zu werfen. Man muss nicht in Prag studiert haben, um zu wissen, dass die größten Probleme so erst anfangen.
Soll Krisenkommunikation gelingen, gehören Schnelligkeit, Transparenz, Authentizität, Versöhnlichkeit und die Übernahme von Verantwortung in jedem Fall dazu. Das klappt schon in der Wirtschaft meistens nicht - zuletzt beim VW-Abgasskandal zu beobachten. In der Politik hingegen scheint man nicht mal das Wort zu kennen. Passieren tut in Berlin gerade zumindest das glatte Gegenteil.
Der beschuldigte Landesvorsitzende hat sich lediglich zweimal schriftlich zu den Vorwürfen geäußert, bevor er beschloss die Sache auszusitzen. Für die Presse ist er nicht mehr zu erreichen. Und auch seine Stellungnahmen selbst sind ein Konstrukt aus Selbstmitleid, Vorwürfen und Relativierungen. Zugegeben wird nur, was sich eh nicht mehr leugnen lässt.
Dabei standen die öffentlichen Vorwürfe an einer Stelle tatsächlich auf tönernen Füßen: Ob die Frage „Fickst Du die?“ tatsächlich gefallen ist, konnten nur zwei Männer beantworten. Henkel und Sven Rissmann. Mit einem Wort hätte Sven Rissmann Jenna Behrends Glaubwürdigkeit erschüttern und seinen taumelnden Chef retten können. Hat er aber nicht. Warum auch, wenn doch die Mutter seines Kindes laut Morgenpost auch gerne Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses würde. Ein auf diesem Posten entsorgter Ex-Landesvorsitzender würde da nur stören. Der Kronzeuge konnte sich nicht erinnern.
Henkel hat sich zu den Vorfällen übrigens erst nach seinem einstmals treustem Adlatus geäußert. Er konnte die Darstellung nur noch bestätigen.
Mehr als Henkels Halbherzigkeiten wird der Partei jedoch ausgerechnet die Reaktion der Kreisvorsitzenden der lokalen Frauen Union schaden. In einer ersten Runde wurde erstmal beleidigt („zweifelhafte Persönlichkeit“) und geleugnet („Sexismus ist mir persönlich … nicht begegnet“). In einer zweiten Runde versucht man Jenna Behrends nun nach dem Muster „Wer sich so anzieht, der will doch vergewaltigt werden!“ auf schmierigste Weise Affären anzuhängen.
Seit der zweiten Stellungnahme ist plötzlich auch der Sexismus, auf den man ja bislang nie gestoßen war, zu einem Problem geworden mit dem die Frauen Union schon lange kämpft. Allerdings ein zu ernstes Problem um es öffentlich zu diskutieren. Darum soll nun ein Arbeitskreis gegründet werden. Bei der Frauen Union weiß man, wie man einen Deckel auf Probleme macht.
Wer dem neuen Gremium angehören soll, bleibt jedoch fraglich. Denn zwei prominente Mitglieder des Kreisvorstandes sind als Reaktion auf das Vorgehen ihrer Vorsitzenden schon zurückgetreten.
Wer sich an dieser Stelle fragt, wie die CDU denn sonst hätte reagieren sollen, dem sei gesagt: Fast alles wäre besser gewesen. Den Satz „Sexismus darf in der CDU keinen Platz haben“ kann jeder unterschreiben. Auch mit einer persönlichen Entschuldigung hätte sich Frank Henkel keinen Zacken aus der Krone gebrochen. Und zuletzt hätte Frank Henkel sogar in die Offensive kommen können, wenn sich das Thema zu Eigen gemacht hätte. Er hätte Jenna Behrends in den Landesvorstand kooptieren können, mit der Aufgabe sich dem Thema Sexismus in der CDU anzunehmen. Er, der ja eh nichts mehr zu verlieren hatte, hätte souverän reagieren können. Er hätte gewinnen können. Es wären nur Demut, eine Entschuldigung und Betroffenheit nötig gewesen.
Doch in einer Kreispartei, in der viel zu viele etwas sein wollen anstatt etwas zu bewegen, in der eine Meinung zu haben bereits für "Politik machen" gehalten wird und in der viel zu oft Loyalität mit Kadavergehorsam verwechselt wird, kann man das wohl nicht verlangen.
tl;dr: Das Problem der Berliner CDU in der Sexismusdebatte sind nicht die Anzüglichkeiten des Landesvorsitzenden, sondern der Umgang mit dem Thema.