Freitag, 31. Oktober 2014

NRW: Ist der Ruf erst ruiniert…

Es gibt Skandale in diesem Land, die jeder kennt aber die keinen mehr aufregen. Der Berliner Flughafen ist so ein Beispiel. Natürlich ärgert es die Menschen nach wie vor, dass dort täglich Geld verbrannt wird - aber wirklich bewegen tun die Ereignisse an der Großbaustelle keinen mehr. Für die Leute ist das Thema durch. Der Drops gelutscht. Der Flughafen in den Sand gesetzt. Ehrlich: Käme morgen heraus, dass die Landebahn ungeeignet ist für Flugzeuge, es würde keinen mehr überraschen.

Ähnlich verhält es sich mit den Finanzen des bevölkerungsreichsten Bundeslandes. NRW ist super pleite. Jeder weiß das. Längst empört sich keiner mehr über die immer neuen Hiobsbotschaften. Dass die Regierung Kraft aufgrund der immensen Verschuldung verfassungswidrige Landeshaushalte in Serie verabschiedet, mag den Leuten dabei vielleicht zu theoretisch sein. Dass es in der NRW-Staatskanzlei für Gäste aber nur noch Leitungswasser gibt, weil das Land zu pleite ist, um den Besuchern Kaffee anzubieten, hätte eigentlich jedem die Augen öffnen müssen. Aber trotzdem: Statt eines Aufschreis der Empörung über solch haushälterisches Unvermögen gibt es nur Gähnen. Keinen scheint diese Peinlichkeit noch zu scheren.

Nur zur Einordnung: Wäre NRW ein eigener Staat, es stände in der Liste der größten Volkswirtschaften der Welt auf Platz 17. Noch vor den Niederlanden, der Schweiz und Schweden. Noch vor Ländern also, bei denen Gästen zum Kaffee sogar Milch und Zucker gereicht werden.

Und dabei ist dies ja nur eines von zahllosen finanziellen Peinlichkeiten in unserem Bundesland. Denken wir zum Beispiel daran, dass die Landesregierung unlängst die Landtags-Opposition aufgefordert hat konkrete Sparvorschläge vorzulegen, weil ihr selber keine einfallen. Da fragt man sich doch, wozu haben wir eigentlich eine Regierung? Oder an die jüngsten Enthüllungen über den Kunstbesitz der landeseigenen Betriebe. Dass ein Manager der WestLB ein 30-Millionen-Kunstwerk von Max Beckmann für knappe 14 Millionen verkauft hat, wirkt ja fast harmlos wenn man hört, dass die Westspiel ein 13 Meter hohes Kunstwerk von Heinz Mack auf den Müll geworfen hat und Handwerker dort in einen echten Warhol ein Loch für einen Türgriff schnitten. Die Landesregierung musste bei diesem Skandal eingestehen, dass sie keine Übersicht über die Kunstbestände ihrer eigenen Unternehmen hat.

Dazu kommt das überpeinliche Gebettel um Finanzmittel aus dem Solidaritätszuschlag. Man kann ja gerne darüber reden, ob die Gelder 25 Jahre nach dem Fall der Mauer anders verteilt werden sollten, aber die offensive Forderung aus NRW ist schon erschreckend. Fast könnte man den Eindruck bekommen, man wäre stolz darauf, dass die SPD es geschafft hat, das Bundesland auf den Stand der maroden DDR zu wirtschaften. So ließ sich der designierte neue Landesvorsitzende der Jungsozialisten, Frederick Cordes, jüngst in der Rheinischen Post zitieren: „Ich liebe das Ruhrgebiet und finde, der Soli sollte nicht nach Himmelsrichtung, sondern nach Bedürftigkeit verteilt werden“. Grundsätzlich nicht ganz falsch, aber von einer seltsamen Anspruchshaltung und einem deplatzierten Stolz untermalt. Frische Ideen: Fehlanzeige.

Ob das Ruhrgebiet diese ewige Schwarzmalerei überhaupt verdient, steht auf einem ganz anderen Blatt. Anders als in den Weltuntergangsszenarien, die Fördermittel in den Pott spülen sollen behauptet, stehen die Städte an der Ruhr gar nicht so schlecht dar. Mit Essen, Dortmund, Duisburg, Bochum, Gelsenkirchen und Mühlheim an der Ruhr sind gleich sechs dieser Städte unter den Top 50 der Kommunen mit den höchsten Steuermessbeträgen zu finden. Essen und Dortmund stecken bei der Wirtschaftskraft glatt das schuldenfreie Dresden in die Tasche.

Bei den Einnahmen sind die Städte des Ruhrgebiets also gar nicht schlecht wie behauptet. Nur sparen hat man hier nie gelernt. Ein Fakt der offenbar auch für die Landesmutter gilt: Sie scheint auf wundersame Weise von allen Sparzwängen befreit. Für ihre imagebildenden TatKraft-Tage gibt es im kommenden Jahr sogar mehr Geld.

Es ist ein Skandal als Fortsetzungsroman, aber es interessiert halt keinen.

tl;dr: Die Finanzlage von Nordrhein-Westfalen ist skandalös schlecht. Trotzdem stört es keinen.

Dienstag, 14. Oktober 2014

Ja, Meinung hat Konsequenzen!

Meinungsfreiheit, Artikel 5 des Grundgesetzes. Eines der Grundrechte, auf das sich in Deutschland am liebsten berufen wird. Gerade im Internet. Was dieses Recht beinhaltet, dazu darf jeder seine eigene Meinung haben. Gedeckt durch die Meinungsfreiheit. Richtig müssen diese Auslegungen deshalb noch lange nicht sein.

Dafür ist die aktuelle Diskussion um Äußerungen von Xavier Naidoo, der vor einigen Tagen auf einer Demonstration jede Menge wirres Zeug geredet hat, ein schönes Beispiel. Die Demonstranten waren selbsternannte Reichsbürger. Menschen also, die meinen, dass die Bundesrepublik ein unrechtmäßiger Staat sei, da wir noch im Deutschen Reich lebten. Die Mannheimer Popakademie, zu deren Initiatoren Naidoo zählt, hat sich deshalb öffentlich von ihm distanziert.

Bei Facebook mokieren sich darüber in den Kommentarspalten nun sowohl seine Fans, als auch die Fans der Reichsbürger. Der Vorwurf: Naidoo habe doch nur von seiner Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht. Es sei eine Einschränkung dieser Freiheit, wenn das nun Konsequenzen nach sich ziehe.


Krude Ansichten: Keine Meinungsfreiheit in Deutschland?
Neben dem skurrilen Umstand, dass sich hier teilweise Menschen aufs Grundgesetz der Bundesrepublik berufen, die finden, dass ebendieser Staat nicht existiert, zeugen drei weitere Punkte vom mangelnden Verständnis unserer Verfassung.

Zum ersten: Das Grundgesetz regelt das Verhältnis von Bürger und Staat. Nicht das zwischen den Bürgern. Ganz bestimmt nicht das zwischen Bürgern und Popakademie. Schlauberger haben längst bemerkt: Auch vor dem Verfassungsgericht kann man deshalb nur gegen den Staat, nicht aber gegen seinen Nachbarn klagen. Würde ein staatliches Gesetz die Meinungsfreiheit einschränken, könnten Bürger hier gegen die Bundesrepublik vorgehen. Könnten, denn praktisch ist das bei der Meinungsfreiheit etwas schwieriger.


Damit wären wir beim zweiten Punkt: Den Schranken. Grundsätzlich unterliegt ihnen jedes Grundrecht. Zum Beispiel den verfassungsimmanenten Schranken. Das bedeutet: Es findet seine Grenzen in den anderen Grundrechten. Beispiel: Zwar ist die Religionsfreiheit in Artikel 4 verankert, trotzdem wird sie aber in ihrer Ausübung durch die Menschenwürde (Artikel 1) beschränkt. Religiös motivierte Menschenopfer sind also nicht drin…


Einige Artikel, so auch die Meinungsfreiheit, sind zudem noch stärker - durch einen qualifizierten Gesetzesvorbehalt - eingeschränkt. Schließlich heißt es im Artikel 5 nicht nur: (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt. Sondern auch: (2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Konkret heißt das: Zwar kann nicht jedes Gesetz dieses Grundrecht einschränken (um es kompliziert zu machen: nicht jedes Gesetz ist allgemein), aber sehr wohl ein einfaches Gesetz das nicht gegen die Werte des beeinträchtigten Grundrechts verstößt.


Der entscheidende Punkt ist jedoch der Dritte: Meinungsfreiheit heißt nicht, dass man mit seiner Meinung immer richtig liegt. Zwar ist auch die Meinung von Xavier Naidoo von unserer Ordnung geschützt, die der Popakademie über Naidoo jedoch auch. Auch wenn es weh tut: Wer seine Meinung äußert, muss auch ertragen, dass es andere Meinungen und ab und zu auch Konsequenzen gibt. Leider scheint dies nicht jedem gegeben zu sein…


tl;dr: Das Beispiel Xavier Naidoo zeigt: Die Meinungsfreiheit ist keine Freiheit von Konsequenzen.