Ähnlich verhält es sich mit den Finanzen des bevölkerungsreichsten Bundeslandes. NRW ist super pleite. Jeder weiß das. Längst empört sich keiner mehr über die immer neuen Hiobsbotschaften. Dass die Regierung Kraft aufgrund der immensen Verschuldung verfassungswidrige Landeshaushalte in Serie verabschiedet, mag den Leuten dabei vielleicht zu theoretisch sein. Dass es in der NRW-Staatskanzlei für Gäste aber nur noch Leitungswasser gibt, weil das Land zu pleite ist, um den Besuchern Kaffee anzubieten, hätte eigentlich jedem die Augen öffnen müssen. Aber trotzdem: Statt eines Aufschreis der Empörung über solch haushälterisches Unvermögen gibt es nur Gähnen. Keinen scheint diese Peinlichkeit noch zu scheren.
Nur zur Einordnung: Wäre NRW ein eigener Staat, es stände in der Liste der größten Volkswirtschaften der Welt auf Platz 17. Noch vor den Niederlanden, der Schweiz und Schweden. Noch vor Ländern also, bei denen Gästen zum Kaffee sogar Milch und Zucker gereicht werden.
Und dabei ist dies ja nur eines von zahllosen finanziellen Peinlichkeiten in unserem Bundesland. Denken wir zum Beispiel daran, dass die Landesregierung unlängst die Landtags-Opposition aufgefordert hat konkrete Sparvorschläge vorzulegen, weil ihr selber keine einfallen. Da fragt man sich doch, wozu haben wir eigentlich eine Regierung? Oder an die jüngsten Enthüllungen über den Kunstbesitz der landeseigenen Betriebe. Dass ein Manager der WestLB ein 30-Millionen-Kunstwerk von Max Beckmann für knappe 14 Millionen verkauft hat, wirkt ja fast harmlos wenn man hört, dass die Westspiel ein 13 Meter hohes Kunstwerk von Heinz Mack auf den Müll geworfen hat und Handwerker dort in einen echten Warhol ein Loch für einen Türgriff schnitten. Die Landesregierung musste bei diesem Skandal eingestehen, dass sie keine Übersicht über die Kunstbestände ihrer eigenen Unternehmen hat.
Dazu kommt das überpeinliche Gebettel um Finanzmittel aus dem Solidaritätszuschlag. Man kann ja gerne darüber reden, ob die Gelder 25 Jahre nach dem Fall der Mauer anders verteilt werden sollten, aber die offensive Forderung aus NRW ist schon erschreckend. Fast könnte man den Eindruck bekommen, man wäre stolz darauf, dass die SPD es geschafft hat, das Bundesland auf den Stand der maroden DDR zu wirtschaften. So ließ sich der designierte neue Landesvorsitzende der Jungsozialisten, Frederick Cordes, jüngst in der Rheinischen Post zitieren: „Ich liebe das Ruhrgebiet und finde, der Soli sollte nicht nach Himmelsrichtung, sondern nach Bedürftigkeit verteilt werden“. Grundsätzlich nicht ganz falsch, aber von einer seltsamen Anspruchshaltung und einem deplatzierten Stolz untermalt. Frische Ideen: Fehlanzeige.
Ob das Ruhrgebiet diese ewige Schwarzmalerei überhaupt verdient, steht auf einem ganz anderen Blatt. Anders als in den Weltuntergangsszenarien, die Fördermittel in den Pott spülen sollen behauptet, stehen die Städte an der Ruhr gar nicht so schlecht dar. Mit Essen, Dortmund, Duisburg, Bochum, Gelsenkirchen und Mühlheim an der Ruhr sind gleich sechs dieser Städte unter den Top 50 der Kommunen mit den höchsten Steuermessbeträgen zu finden. Essen und Dortmund stecken bei der Wirtschaftskraft glatt das schuldenfreie Dresden in die Tasche.
Bei den Einnahmen sind die Städte des Ruhrgebiets also gar nicht schlecht wie behauptet. Nur sparen hat man hier nie gelernt. Ein Fakt der offenbar auch für die Landesmutter gilt: Sie scheint auf wundersame Weise von allen Sparzwängen befreit. Für ihre imagebildenden TatKraft-Tage gibt es im kommenden Jahr sogar mehr Geld.
Es ist ein Skandal als Fortsetzungsroman, aber es interessiert halt keinen.
tl;dr: Die Finanzlage von Nordrhein-Westfalen ist skandalös schlecht. Trotzdem stört es keinen.