Bei kaum einer Diagnose ist man sich in unserer Stadt so einig, wie bei dieser: Unsere Ortskerne veröden. Jedoch ist man auch bei kaum einer anderen Frage so ratlos. In Willich möchte man dieser Entwicklung nun mit der Einrichtung einer Fußgängerzone begegnen. Es muss halt etwas getan werden. Doch behandelt man damit tatsächlich die Ursache des Problems? Und vor allem: Was ist eigentlich das Problem?
Klar, man geht heute zum einkaufen eben nicht mehr ins Dorf. Man fährt mit dem Auto an den Ortsrand. Man geht auch nicht mehr zum Fachhändler, sondern ins Internet. Alle machen das, auch die die sich über die sterbenden Innenstädte ärgern. Gibt es Hoffnung auf eine Trendwende? Nicht mit verödeten Innenstädten. Ein geschlossener Teufelskreis.
Aber: Ist damit der böse Zeitgeist schuld und wir ihm schutzlos ausgeliefert? Offenbar nicht, zumindest wenn man nach Kempen schaut. Dort hat gerade der neue Klosterhof eröffnet. Errichtet auf einem großen brachliegenden Areal in der Innenstadt, konnten die Investoren sogar bekannte Filialisten wie Esprit, sOliver und Gerry Weber anlocken. Diese haben durchaus die Qualität zu Magneten für die gesamte Innenstadt zu werden. So profitieren dann auch andere, alteingesessene Geschäfte.
Leider ist die Situation in Willich anders. Einen großen Wurf wird es in Willich nicht geben, bei uns ist Geduld und Beharrlichkeit gefragt. Zum einen: Wir haben keine Brachfläche dieser Größe mitten in der Innenstadt. Und: Wir haben zwar mehr Einwohner als Kempen, aber dafür vier Ortszentren. Allesamt kleinteiliger.
Trotzdem würden Unternehmen wie Esprit oder Strauss auch in Willich Filialen eröffnen, was mir ein großer Willicher Immobilienmakler bestätigt hat, aber es fehlt einfach an den entsprechend großen Gewerbeflächen. Die vorhandenen kleinen Flächen sind eher ein Fall für Existenzgründer und Spezialisten. Aber für diese oft viel zu teuer. Viele Pleiten gehen auf diese Mietpreise zurück. Wer mal mit Willicher Wirten gesprochen hat, wird das schnell bestätigt bekommen. Die Preispolitik richtet sich oft nicht nach dem, was an einem Standort zu erwirtschaften ist, sondern nach dem Wunsch der Eigentümer mit den Mieteinnahmen ihren Lebensabend zu bestreiten. Nur: Wirtschaftlich arbeiten, die eigene Familie ernähren und noch die Rente des Vermieters zahlen - das kann nicht gut gehen.
Zu kleine Flächen, zu hohe Mieten. Dies sind die beiden Probleme, die unseren Innenstädten zu schaffen machen. Natürlich geht es auch um Parkplätze und die Aufenthaltsqualität, aber: Die Wurzel des Problems ist eine andere.
Das gute daran ist: Hier muss sich nicht nur etwas ändern, sondern hier kann man auch etwas ändern. Mit dem Ankauf des heutigen Cafe Kleeberg durch die Grundstücksgesellschaft hat die Stadt alles richtig gemacht. Ein lange brachliegendes Ladenlokal wurde saniert, mit einer vernünftigen Miete angeboten und sogleich fand sich ein Pächter. Zwar wurde die Stadtspitze anfangs heftig für diese Entscheidung kritisiert, aber heute ist das Cafe längst ein Anziehungspunkt in Willich, von dem auch der benachbarte Einzelhandel profitiert. Dieses Modell kann Schule machen.
Auch dem Problem der Ladengrößen könnte die Verwaltung so begegnen. Wenn es nicht klappt, dass benachbarte Vermieter sich dazu durchringen auch mal eine Wand einzureißen, dann muss die Stadt die Objekte eben übernehmen. Subsidiär. Allerdings sollte die Grundstücksgesellschaft die Läden nach erfolgreicher Sanierung und Vermittlung auch wieder verkaufen - auch das fordert die Subsidiarität.
Was ich mir also wünsche: Eine viel stärkere Tätigkeit der Grundstücksgesellschaft in den Ortskernen. Wir müssen die Innenstädte endlich auch als Gewerbeflächen begreifen. Die Stadt ist dabei auf einem guten Weg, wie nicht nur das Beispiel Kleeberg zeigt. So wurde in dieser Wahlperiode des Stadtrates auch die Stelle einer Citymanagerin bei der Wirtschaftsförderung eingerichtet. Aber vielleicht können wir in der Innenstadt noch mehr von unseren erfolgreichen Gewerbegebieten lernen. Deshalb habe ich heute folgenden Antrag, der auch von der Frauen Union unterstützt wird, an die CDU-Fraktion geschickt:
Antrag: Einrichtung eines ‚Gründerzentrums Innenstadt‘
Unsere Innenstädte leiden unter zu kleinen Gewerbeflächen und zu hohen Ladenmieten. Während die geringe Größe der Ladenflächen für Filialen von Unternehmen unattraktiv ist, verhindern die oft sehr hohen Mieten Neugründungen, für welche die kleinen Ladenflächen eigentlich ideal wären. Dieses doppelte Dilemma könnte durch ein ‚Gründerzentrum Innenstadt‘ von einer Seite aufgebrochen werden. Die Stadt oder eine ihrer Töchter könnten ein oder mehrere Ladenlokale - entsprechend dem Gründerzentrum im Stahlwerk Becker - zu einem günstigen Mietpreis für Neugründungen zur Verfügung stellen. Nach einer noch festzulegenden Zeit, könnten diese Läden dann aus dem ‚Gründerzentrum Innenstadt‘ in freie Ladenlokale umziehen. Dies würde den Start in die Selbstständigkeit deutlich erleichtern. Bei dieser Initiative könnte u.a. über eine Kooperation mit Hochschulen, wie der Fontys in Venlo oder der Hochschule Niederrhein, Fachbereich Textil, in Krefeld nachgedacht werden.
tl;dr: Zu kleine Gewerbeflächen und zu hohe Mieten sind der Grund für verödende Ortskerne in Willich. Auch deshalb bin ich für ein "Gründerzentrum Innenstadt".